Trotz alledem – Wahlprüfsteine zur Hochschulwahl 2014
(Gießen). Es ist mal wieder so weit. Hochschulwahlen an der JLU stehen an. Und im Lichte der jüngsten Entwicklungen haben wir das zum Anlass genommen, die verschiedenen Listen mal auf ihre Haltung zur Zivilklausel „abzuklopfen“. Denn obgleich die jüngste Niederlage erstmal eine Zäsur für die Zivilklauselbewegung an der Uni Gießen bedeutet, haben einige Listen im Nachgang dieses verhängnisvollen Abends angekündigt, weiter für die Einführung einer Zivilklausel zu kämpfen.
Grundlage dafür bilden die Wahlprogramme der Jusos, UniGrün, UnsereUni., sds.dielinke Gießen, Die StudentenUNION-Projekt Bildung & Zukunft, die Queere Liste, die Liberale Hochschulgruppe Gießen und schließlich der Demokratischen Linken Gießen. Hinzu kommen etwaige Stellungnahmen, die von den Listen nach der Ablehnung der Urabstimmung gemacht wurden – da letztere in den Wahlprogrammen nicht berücksichtig werden konnten (Abgabe vor dem 5.12., also dem Tag der betreffenden StuPa-Sitzung).
Wir überprüfen im Folgenden, ob die Programme der antretenden Listen sich (1)explizit zur Zivilklausel äußern, ob sie (2)die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft thematisieren und ob sie sich mit der Frage der (3)Unabhängigkeit von Forschung Lehre aufgrund von Auftragsforschung und Drittmitteln auseinandersetzen und schließlich ob die Urabstimmung Erwähnung findet (4).
1.Juso-Hochschulgruppe
Die Juso-Hochschulgruppe hat auch im neusten Wahlprogramm – wie schon letztes Jahr, die Zivilklausel ganz gestrichen – es wird lediglich an einer Stelle der gesellschaftliche Auftrag der Forschung erwähnt – in Bezug allerdings auf die Ökologie. Fragen der Unabhängigkeit der Forschung und der Drittmittel sind auch nicht zu finden. –>hier geht es zum Programm
Eine explizite Stellungnahme der Hochschulgruppe zur Urabstimmung gibt es zwar nicht, aber an dieser Stelle sei nicht verschwiegen, dass ein jusonaher Blogger sich mit der betreffenden StuPa-Sitzung auseinandergesetzt hat. –>hier geht es zum Artikel.
ERGEBNISS: (1) -;(2) -;(3) -;(4) – 😦
2.UniGrün
UniGrün war – und das als Teil der AStA-Koalition – beteiligt am Antrag auf die Durchführung einer Urabstimmung zur Zivilklausel. Allerdings wurde von Seite einiger Jusos, konfrontiert mit der Anklage allein Schuld daran zu tragen, dass dieser Antrag abgelehnt wurde, gemutmaßt, dass in Anbetracht der abgegebenen Stimmen auch aus der Fraktion von UniGrün Enthaltungen bzw. Nein-Stimmen hätten kommen können (siehe Artikel oben). Dennoch hat in einer Pressemitteilung nach der Abstimmung UniGrün noch ein mal bekräftigt, weiter für die Zivilklausel einzutreten zu wollen. Auch in ihrem recht knappen Programm findet sich Platz für folgender Passus:
Wir setzen uns dafür ein, dass die finanziellen und personellen Ressourcen an zivilen Hochschulen auch nur für zivile Forschung verwendet werden. Damit unterstützen wir nach wie vor die Verankerung einer Zivilklausel an der JLU Gießen und eine Urabstimmung darüber
Wahlprogramm S.2.
ERGEBNISS: (1) CHECK;(2) – ;(3) – ;(4) 🙂
3.UnsereUni.
UnsereUni. gehört zu den „traditionellen“ Unterstützern der Zivilklausel. Ein Mitglied ihrer Hochschulgruppe und des damaligen AStAs war es, der die Thematik 2009/10 zum ersten Mal auf die Agenda setzte. Auch äußerten sie sich ausführlich zu den Vorkommenissen am 5.12 und waren Antragsteller zur Durchführung einer Urabstimmung zur Frage der ZK. Doch was findet sich in dem aktuellen Wahlprogramm?
Wir setzen uns […]aktiv für die Aufnahme einer „Zivilklausel“ in die Grundordnung der Universität ein, mittels der Wehr- und Rüstungsforschung an der Justus-Liebig-Universität unterbunden und Forschung und Lehre rein friedlichen und zivilen Zielen verpflichtet werden.
S.5f. (Wahlprogramm) Zudem wird dies mit der Einhaltung des Selbstanspruchs der Uni mit ihrem Leitbild der „Lebenswissenschaften“ verknüpft. Auch die Urabstimmung wird unterstützt(S.6). Überdies fordern sie eine Abkehr von der Praxis der übermäßigen Einwerbung von zweckgebunden Drittmitteln und Exzellenziniativen (S.3)
ERGEBNISS: (1) CHECK; (2) – ;(3) CHECK; (4) CHECK 😀
4.Die StudentenUNION – Projekt Bildung und Zukunft
In der Vergangenheit waren noch zwei relativ ähnliche Listen angetreten, die jetzt scheinbar wieder zusammen unter dem Label der StudentenUNION, CDU-nahe Politik an die Hochschule bringen. Sie hatten sich beide in den letzten Wahlprogrammen negativ zur Zivilklausel geäußert. Wie sieht es dieses Jahr aus?
Diesmal scheint das Thema Zivilklausel kein Thema zu sein – die StudentenUNION äußerst sich lediglich zu Drittmitteln und
die Förder- und Ehemaligenvereine, die an einzelnen Fachbereichen bestehen, und spricht sich für weitere Gründungen aus. Wir erhoffen uns hierdurch bessere Kontakte zu Wirtschaft und Praxis sowie Drittmittel für Forschung und Lehre
(Wahlprogramm S.6). Sie sind also offensiv für mehr Drittmittel und eine engere Verzahnung mit wirtschaftsnahen Netzwerken und Institutionen, was die Unabhängigkeit der Forschung nicht gerade bestärken dürfte.
ERGEBNISS: (1) -;(2) -;(3)-;(4)- 😦
5.sds.dielinke Gießen
Auch sds.dielinke Gießen hat bisher in jedem Programm eine Zivilklausel gefordert und auf die Problematik der Drittmittel aufmerksam gemacht. Sie gehörte auch zu den Listen, die den Antrag zur Urabstimmung mit eingebracht hat und mit mehreren Äußerungen auf das „hochschulpolitische Fiasko„, wie sie es nennt reagiert. Doch wie sieht es in ihrem eigenen Programm aus?
Zivilklausel wollen sie, sie versprechen dem AK Zivilklausel ausreichend finanzielle Mittel (obwohl diese bis zu einem bestimmten Grad von einem noch bestehenden Beschluss garantiert sind) und unterstützen die Urabstimmung (S.4f.). Weiterhin treten sie für Transparenz in Bezug auf Drittmittel und Auftragsforschung ein und fordern daher:
Die regelmäßige Publikation aller Drittmittel und aller Projekte, die damit
finanziert werden Die strikte und transparente Buchführung über die Aufteilung von Bundesmitteln (aus welchem Ministerium Forschung finanziert wird usw.). Die Thematisierung der universitären Praxis, einen Großteil der Fördermittel exklusiv den in „Exzllenzclustern“ eingehegten Fachbereichen zuzuschanzen
(S.7 Wahlprogramm).
ERGEBNISS: (1) CHECK (2) – (3) CHECK (4) CHECK: 😀
6.Liberale Hochschulgruppe
Die LHG hat sich schon in der Vergangenheit explizit gegen die Zivilklausel ausgesprochen. Auch dieses Jahr finden sich in Bezug auf fast alle Prüfsteine Äußerungen. Als Kämpfer für Zivilklausel finden wir diese natürlich nicht so prächtig. Trotzdem finden wir es gut, dass die LHG sich wenigstens, im Gegensatz zu anderen Listen zu dieser Frage „verhält“. Sie fordert in Bezug auf Punkt (3)
ein stärkeres Anwerben von Drittmitteln, die unmittelbar zur Sicherung und Verbesserung der Lehre verwendet werden müssen. Den Universitäten stehen nur knappe staatliche Ressourcen zur Verfügung. Um einen höheren finanziellen Spielraum zu ermöglichen, muss sich die Universität verstärkt um Drittmittel von Stiftungen bemühen. Durch diese Drittmittel könnte unter anderem das Lehrangebot verbessert werden.
Wahlprogramm (S.2) Und zur Zivilklausel äußern sie sich auch sehr ausführlich und deutlich. Die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft wird, wie sollte es bei liberalen anders sein – dem bürgerlichen Individuum selbst, in diesem Fall dem Forscher überantwortet:
Keine Zivilklausel: Freiheit der Forschung erhalten.
Die LHG Gießen lehnen eine uneingeschränkte Zivilklausel ab und setzen sich für eine freie Forschung ein, in der jeder Wissenschaftler die Verantwortung für seine Arbeit übernimmt und im Einzelfall entscheidet, ob ein Projekt und eine Kooperation dem Status der Hochschule als zivile Einrichtung gerecht wird
(S.2f.)
ERGEBNISS: (1):CHECK; (2)CHECK; (3)CHECK; (4)- :no: (wg. absoluter Ablehnung der Zivilklausel)
7.Demokratische Linke Gießen
Auch die DL war in den letzten Jahren immer gut dabei, wenn es um die Zivilklausel ging. In ihrem neuen, sehr ausführlichen Programm haben sie sich dabei sehr genau und analytisch den Themen rund um Drittmittel und Zivilklausel angenommen – auch sie war der Teil der Gruppe, die sich dem Antrag zur Urabstimmung zur Zivilklausel angeschlossen hat. Aber lest selbst:
Die Universität ist als Bildungs- und Forschungseinrichtung ein wichtiger Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Inhalte, die hier gesetzt werden, müssen folglich in gesamt-gesellschaftlicher Verantwortung stehen. Das bedeutet für uns auch, dass rein auf Interessen einzelner Unternehmen ausgerichtete Forschungsprojekte und Lehre hier keinen Platz haben sollten. Bestimmte Themen lehnen wir deshalb explizit als Gegenstand von Forschung an Hochschulen ab.
Weiterhin sind sie
[…] der Ansicht, dass Lehre, Forschung und Studium an der Uni zivilen und friedlichen Zwecken dienen sollten. Wie an einigen anderen Hochschulen (z.B. Uni Frankfurt) bereits geschehen, setzen wir uns deshalb auch an der Uni Gießen für die Verankerung einer Zivilklausel in die Grundordnung ein.
(Wahlprogramm S.4f.) Dazu kommt ihre Kritik an den Drittmitteln und wie sie Hochschul- und Forschungslandschaft negativ beeinflussen(S.5)
ERGEBNISS: (1) CHECK; (2) CHECK; (3) CHECK; (4) – 😀
8. Queere Liste
Die Queere Liste ist letztes Jahr nicht ins Studierendenparlament eingezogen. Jetzt tritt sie wieder an. Wie letztes Jahr findet sich kein Hinweis auf die Zivilklausel. Da die Liste aber auch quasi eine Einthemenliste (Thema geschlechteridentitäre Selbstbestimmung) ist das auch kein Wunder, denn zu vielen anderen Themen haben sie auch nichts zu sagen. Zum Wahlprogramm geht es hier–> LINK
ERGEBNISS: (1)-; (2)-;(3)-;(4)-; 😦
FAZIT: Unter den großen und „traditionsreichen“ Listen findet sich bis auf die Jusos und die StudentenUNION niemand, der die Zivilklausel nicht in irgendeiner Weise behandelt – dabei mal mehr, mal weniger detailliert, mal dagegen öfter dafür. Wenn ihr eine Zivilklausel für die Zukunft der JLU Gießen noch nicht komplett abgeschrieben habt und bei eurer studentischen Vertretung dieses Thema für wichtig haltet, haben wir euch mit dieser Übersicht hoffentlich einen guten Kompass geliefert.
Bleibt nur noch zu hoffen, dass diese Wahl irgendwann zu einer Wiederbelebung des Arbeitskreis Zivilklausel und des Kampfes für eine friedliche Uni führen wird.