Zur Frage der Mittelbarkeit I-Kriegssyndikalist Ischinger an der Universität Tübingen
Tübingen. Jährlich im Februar findet in im Hotel „Bayerischer Hof“ die „Münchener Sicherheitskonferenz“ statt, ein Treffen von hochrangigen Vertretern aus Militär, Wirtschaft und Politik hauptsächlich der NATO-, aber auch anderer Länder die über „Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ reden, aber auch über Waffengeschäfte und wie jünst Theodor zu Guttenberg auch über die Verquickung von militärischen Aktionen mit wirtschaftlichen Interessen. Gesponsort wird der privat ausgerichtete, unverbindliche Spass sowohl vom Budnespresseamt, als auch von Rüstungsfirmen wie Krauss-Maffei Wegmann. Da meist das hochrangiste zusammenkommt, was sich für Geopolitik und den Antagonismus der Clausewitzschen Formel „Krieg ist die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“ begeistern lässt, finden am Rand sowohl strategische Erwägungen in den laufenden Konflikten, vor allem betreffs des Mittleren Ostens, als auch die bereits erwähnten militärisch-wirtschaftlichen Vernknotungen statt.
Chefausrichter dieser traditionsreichen Diskussionsrunde der Geostrategen ist seit 2008 Wolfgang Ischinger, seines Zeichens Träger des Verdienstkreuzes 1. Klasse, Vorstandsmitglied und Lobbyist der Allianz SE und altgedienter Diplomat, der unter anderem am 11. September 2001 seinen Posten als deutscher Botschafter in Amerika antrat. Nachdem er ab 2006 2 Jahre in London war, ließ er sich zu dem jetztigen Posten abkomandieren und steht nun an der Spitze dieser Konfererenz. Jetzt hat er allerdings noch ein Pöstchen ergattert, das allerdings ein paar mehr Schwierigkeiten mit sich bringen könnte: er hat eine Stelle als Honorarprofessor an der Uni Tübingen angenommen, die seit Januar 2010 eine Zivilklausel besitzt, Wortlaut:„Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen.“ Der Ansicht vieler Studenten in Arbeitskreisen und politischen Hochschulgruppen nach stellt das einen eklatanten Bruch der Zivilklausel dar, verstößt es doch gegen das Gebot, dass auch in „Lehre“ niemand zum Einsatz kommen darf, der offen den Krieg befürwortet.
Dazu gehört Ischinger, der offen Deutschland im Kontext der Nichtbeteiligung am Lybienkrieg als „Sorgenkind“ der NATO bezeichnete und für noch mehr Truppen in Afghanistan wirbt, damit ein „Reputationsverlust Deutschlands in der NATO“ abgewendet werde. Hier stellt sich nun die Frage, ob an dieser Stelle wirklich die Zivilklausel greifen soll, betreibt dieser Mann doch keine unmittelbare Kriegsforschung, niemand stirbt, nicht einmal unmittelbar, durch seine Hand. Auch müsse man ja als Studierender Mensch überhaupt nicht seine Vorlesungen besuchen oder seiner Meinung sein; kurz um, es ließe sich ignorieren. Vielmehr ist es doch wichtig, auch mal die andere Seite zu hören.
Hier stellt sich naturgemäß die Frage nach der Schwelle, die übertreten werden muss, um eine wie auch immer geartete Zivilklausel zum greifen zu bringen, durch die Natur der konkreten Übertretung in Erscheinung einer Honorarprofessur ist das die Frage nach der Mittelbarkeit. Wolfgang Ischinger ist ein Befürworter des Krieges als politisches Mittel, als gelinde ausgedrückt ulitma ratio westlichen Ordnungsverständnisses, herangetragen an die Welt, und er wird auch versuchen, das in seiner Lehre zu verbreiten. Als Vorsitzender und Ausrichter einer „Sicherheitskonferenz“, die Wirtschaftsbosse und Militäratachees an einem Ort zusammenbringt, kann man schlechterdings progressive Antworten auf die Konflikte dieser Welt erwarten, die nicht auf „Marschflugkörperdiplomatie“ und wirtschaftliche Interessen in Krisengebieten hinauslaufen oder wenigstens auf herrschaftliche Drohgebärden und Geltungsbefindlichkeiten von NATO, Deutschland oder anderen hegemonialen Staaten abzielen.
Nicht umsonst demonstrieren jedes Jahr breite Bündnisse aus Friedensbewegung, Gewerkschaften und Antifaschistischen Gruppen gegen diese Konferenz, Ischinger hingegen versucht durch die Integration beispielsweise einiger weniger Linksparteimitglieder, auch die „Gegner“ zu involvieren. Angesichts der Themen, sonstigen Besucher und der privaten Gespräche, die ganz nebenbei stattfinden, wohl eher ein schwacher Trost für die „Zivilgesellschaft“, die zu 70 Prozent mittlerweile den Krieg in Afghansitan ablehnt. Das ein solcher Vertreter der Interessen der NATO, einem mitunter sehr aggressiven, antagonistischem Militärbündnis nicht unter die Zivilklausel fallen soll, die eine Universität als eindeutig friedlich ausweist, auch bezogen auf die Lehre, wäre in Anbetracht der Fakten und des Geistes, in dem Ischinger die Sicherheitskonferenz inszeniert, töricht und naiv. Die allergische Reaktion der Zivilklausel-UnterstützerInnen ist nur verständlich.
Ein weiterer Grund ergibt sich zum einen aus der Breite des Verständnisses einer Zivilklausel, die eben nicht nur die konkrete Forschung betrifft, sondern auch die geistige Wegbereitung, die politikwissenschaftliche Fundierung der „responsability to protect“ wie der post-Kalte Krieg Konflikt meist euphemistisch sich schmimpft, zum anderen aus der Natur der Klausel, als einer Selbstverpflichtung, die „mit Leben gefüllt werden muss“ wie es in einem Brief zur Erinnerung der Einhaltung der Zivilklausel in Tübingen in sehr klare Worte gefasst wurde. Dass bedeutet, dass jedes kleine Zugeständnis, wie beispielsweise das Zulassen einer Sabine Jaberg, die im Rahmen einer Vorlesungsreihe über die Zivilklausel über „Die Außenpolitik Deutschlands: Abschied von der Friedensnorm“ referieren sollte, abgelehnt wird. Sie stammt von einer Militärhochschule und wird gewiss nicht die friedliche Konfliktlösung predigen, oder sich des Grundgesetztes erinnern, worin klar steht, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen darf. Kein Fussbreit militärischer Kriegsbejahung und politikwissenschaftlicher Legitimationsrede, die bei vielen unentdeckt, bei Ischinger aber offensichtlich ist.
Warum? Weil das Beispiel Tübingen zeigt, dass eine Zivilklausel nur solange aufrecht erhalten wird, wie man sie in die Öffentlichkeit rückt, wie man sie mit Zähnen verteidigt und jede Übertretung mit Aktion beantwortet und sei es fürs erste ein Schreiben, dass auch an die Presse gehen sollte. Wenn man sich dann beginnt zu sagen, „ja, das geht noch“ oder “ der ist ja nich so schlimm, der ist ja Völkerrechtler“, hat man ganz schnell wieder größere Projekte an der Backe und kann gleich die ganze Klausel streichen, denn sich darauf verlassen, dass die Universitätsleitung sich an Regelungen hält, die von Stuiderenden mühsam im Bildungsprotest der Obrigkeit abgerungen wurden, wäre genauso kurzsichtig, wie auf die Grün-Rote Regierung von Baden-Würtemberg zu warten, eine landesweite Zivilklausel einzuführen. Wenn alle Zeichen auf Selbstvergessenheit und Opportunismus stehen, auf dem blinden Verlangen nach Geld und Ranking, kann auf die Befindlichkeiten des Menschen in der Verantwortung keine Rücksicht genommen werden. Deshalb ist der Kampf für eine Zivilklausel nicht mit ihrer Einführung gewonnen, sondern mit ihrer Durchsetzung erst begonnen.
Artikel im schwäbischen Tagblatt zu dem Thema
Offener Brief der Initiative gegen Militärforschung