Sich rot und grün ärgern-Enttäuschung über 180 Grad Wende bei Wahlversprechen in Baden Würtemberg
Stuttgart/Karlsruhe. Der Aufwärtstrend der Grünen und das 3-Jahres Hoch der SPD sind gewiss auch mit der Hoffnung verbunden, dass die ehemaligen Hartz-4 Parteien durch die Figur des Wutbürgers beflügelt, eine neue, gute und nachhaltige Politik betreiben werden, fernab von schröderscher BASTA-Politik oder einem Wendehalsfischer. Allerdings hat sich diese Hoffnung in Baden-Würtemberg ziemlich schnell zerstreut. Nicht nur hat sich die SPD in einer Kampagne für S21 eingesetzt, obgleich der Koalitionspartner strikt dagegen steht, auch die Abschaffung der Studiengebühren lässt noch ein Semester auf sich warten und nun auch noch ein herber Rückschlag für all jene, die sich erhofft hatten, Fragen der zivilen Forschung, der Zivilklausel seien „von oben“ zu lösen.
Diese Hoffnungen speisten sich aus den Wahlprogrammen der Grünen wie der SPD, in denen von „[…] Forschungseinrichtungen“ die Rede war, die „ausschließlich friedliche Zwecke verfolgen“ sollten. „Um dies deutlich zu machen“ so das Programm weiter,“ befürworten wir die Einführung von Zivilklauseln in den Satzungen aller solcher Einrichtungen.“, so stand es beim Bündnis 90, die Sozialdemokraten formulierten es folgendermaßen: „Die Forschung in Baden-Württemberg soll ausschließlich friedlichen Zwecken dienen.“ Nun hier scheint kein genereller Dissens zu bestehen oder? So scheint es zumindest, hatte die jetztige Bildungsministerin Theresia Bauer gar die Kampagne am Karlsruher Institut für Technologie unterschrieben, die dazu aufrief “ dem Studierenden-Antrag zur Aufnahme der Zivilklausel in die KIT Grundsatzung‚ Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen erfolgen‘ zuzustimmen“. Doch an dieser Stelle lohnt es sich einen bekannten Deutschen Politiker zu zitieren „Was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern“ und dem noch einen Halbsatz hinzuzufügen „wenn ich heute wieder den Konzernen und der selbstvergessenen Wissenschaft in den Arsch kriechen kann“. Kurz um und sie bewegen sich doch NICHT.
Nach dem fulminanten Sieg der Grünen und der schnellen Regierungsbildung vermisst man nämlich etwaige Formulierungen im Koalitonsvertrag der grün-roten Landesregierung, ebenso wie man den kämpferischen friedenspolitischen Sprech des Wahlkampfes vergeblich suchen muss: „Ich finde es wichtig, dass sich Wissenschaftler und auch eine Einrichtung wie das KIT Gedanken macht darüber, wo sie forschen, was sie erforschen. Wir haben ein großes Interesse daran, für Transparenz, für Klarheit zu sorgen, was mit öffentlichem Geld geforscht wird, dazu muss man auch stehen können. Aber wir werden nicht als Gesetzgeber die Vorgaben machen, was das richtige Forschungsprogramm ist und was nicht.“ Nun dann sollte man, es vielleicht nicht in sein Wahlprogramm schreiben. Übrigens ist die Frage doch berechtigt, wer hier wen überzeugt hat, den Passus aus ganz aus dem Koalitionsvertrag streichen zu lassen! Oder hatten beide Parteien am Ende die Forderung nur als friedenspolitisches Lametta, als Anbiederung an jegliche sich bietenden Bürger und oder Studentenbewegung geplant um auf Stimmenfang zu gehen?
Diese Fragen auch ernsthaft zu stellen ist durchaus angebracht, eine solche 180 Grad Wende trotz der eigentlichen Übereinstimmung erweist sich doch als zu unverschämt als, das sie einzig dem Vergessen in der Hitze der Koalitionsverhandlungen zu schulden sei. Auch wenn die Appelle beispielsweise des AK Zivilklausel in Tübingen wichtig und richtig sind, die Passage nachträglich einzufügen, so sprechen doch die Aussagen Bauers eine eindeutige Sprache: Die WissenschaftlerInnen müssen selber ihren Weg zum „Friedlichen“ finden, selbst wenn sie zwischendurch eine strategische Einschätzung für die Bundeswehr verfassen, einen günstigen und klugen Sprengkopf entwickeln oder neue Spionagesatelliten bauen um tausende Leben in Gefahr zu bringen, sich immer auch selbst die Hände blutig machen.
Was sagt das aber über den Kampf für eine Zivilklausel? Es sagt, dass die Politik bereit ist, gute Vorsätze zu opfern, zu vergessen und dann auch noch als staatliche Einmischung zu verleugnen, aus welch niederen Gründen auch immer und das die BefürworterInnen der Zivilklausel sich auf das parlamentarische System, auf die ausgetretenen Pfade der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht verlassen dürfen, wo Demokratie nur am Wahlsonntag herrscht. Weder die Anfrage der Linken betreffs der Rüstungsforschung, von denen keiner wagte im Dienste der Öffentlichkeit sein Mandat aufs Spiel zu setzen, noch irgendwelche Wahlprogramme ehemaliger Kriegsparteien vermögen die Kräfteverhältnisse zu verschieben, die verhindern, dass lokale Zivilklauseln und die Menschen, die für sie stehen, ohne Kampf eine solche durchsetzen können. Und steht erst der Großteil der Studierenden hinter der Zivilklausel, formulieren die StudentInnen, die DozentInnen und die MitarbeiterInnen ihren Willen, nicht jetzt aber auch nicht in Zukunft mittelbare oder unmittelbare Kriegsforschung betreiben zu wollen, dann besteht erst die Hegemonie, die Vorherrschaft in der Meinung und die besseren Argumente, die gegen Selbstvergessenheit Opportunismus, Profitgier und geopolitischen Machtdünkel stehen.
Hier einige Verweise:
PM des AK Zivilklausel Tübingen zu dem Thema
IMI-Standpunkt von Andreas Seifert
Offener Brief für eine Einführung der landesweiten Zivilklausel vom 1. September